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An der ZHAW in Winterthur sind aktuell die 33 besten Architektur-Masterarbeiten der Schweiz zu sehen. Sie stellten sich vergangene Woche dem Urteil der Jury, die acht Projekte für die Shortlist auswählte. So intensiv, wie die dabei geführten Diskussionen waren, so breit gefächert sind die Themen der präsentierten Arbeiten.
Was genau macht eigentlich eine Architektin, ein Architekt? Planen und entwerfen? Häuser bauen (lassen)? Geht es nach den hiesigen Masterstudierenden ist die Antwort eine weit differenziertere: Architektinnen und Architekten entwerfen (fast) keine Neubauten mehr und falls doch, dann möglichst aus lokalen und/oder wiederverwendeten Materialien. Sie beschäftigen sich aber auch mit Materialforschung (und legen dort mitunter sogar selbst Hand an), suchen Lösungen, um mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen, interessieren sich für Renaturierungen und Landschaftsarchitektur, sammeln Daten, führen Interviews, betreiben investigativen Journalismus und drehen Videos.
Transformation, Infrastruktur, Politik
Tatsächlich setzte sich auch in diesem Jahr eine Entwicklung fort, die sich bereits in den vergangenen beiden Jahren abzeichnete: Die Mehrheit der eingereichten Arbeiten beschäftigte sich mit Bauen im Bestand bis hin zum Rückbau. Die Themen allerdings waren äusserst vielfältig und reichten von der Umnutzung einer Architekturikone, das unternutzten Klosters Baldegg von Marcel Breuer, über eine Vision für den Umgang mit dem ehemaligen, sich im Rückbau befindenden Atomkraftwerk Mühleberg bis zur Demontage und Wiederverwendung des stillgelegten Wärmekraftwerks Chavalon. Die beiden letzteren Projekte gehören zu einer in dieser Ausgabe überraschend stark vertretenen Gruppe jener Entwürfe, die sich mit Infrastruktur beschäftigten. Neben Mühleberg waren das beispielsweise auch die Transformation einer nicht mehr genutzten Autobahnbrücke oder Ideen, bestehenden Infrastrukturen wie dem Autobahnnetz oder den Rangierbahnhöfen einen Mehrwert zu verleihen. Infrastrukturbauten sind noch immer eher ein Randthema der Architektur, deren architektonische Gestaltung wird aber angesichts der Klimakrise, der Dringlichkeit postfossiler Energiegewinnung, des Bevölkerungswachstums und zunehmender Mobilität an Relevanz gewinnen.
Ein weiterer Beitrag beschäftigt sich kritisch mit den Vorgängen und Rahmenbedingungen im frühen Stadium des Planungsprozesses: jenem Moment, in dem ein Grundstück oder eine Immobilie den Eigentümer wechselt. Das Projekt ist ein starkes Plädoyer an die Architektenschaft, sich in politische Prozesse einzubringen.
Die drei Preise und fünf Anerkennungen werden am 17. Oktober im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung an der ZHAW in Winterthur verliehen. Bis dahin sind alle eingereichten Arbeiten in einer öffentlich zugänglichen Ausstellung zu besichtigen. Wer einen Einblick erhalten will, wie vielseitig der Architektenberuf ist, kann sich hier inspirieren lassen.
SIA-Masterpreis Architektur
Mit dem Preis zeichnet die Berufsgruppe Architektur des SIA zusammen mit dem Architekturrat der Schweiz die besten Masterarbeiten im Bereich Architektur aus. Alle Projekte, die im Herbstsemester 2023 oder im Frühlingssemester 2024 abgeschlossen wurden, qualifizierten sich für die diesjährige Auswahl. Die Nomination der Arbeiten erfolgt durch die jeweiligen Schulen, eine unabhängige Jury prämiert acht Projekte. Dotiert ist der Preis mit gesamthaft 14 000 Franken. Die Auszeichnungen werden am 17. Oktober 2024 an der ZHAW in Winterthur verliehen. Bis dahin sind die Arbeiten dort ausgestellt (Tössfeldstrasse 19, Winterthur; täglich 9–19 Uhr).
Alle nominierten Arbeiten können auf sia-masterpreis.ch eingesehen werden. Die Projekte von 2022 und 2023 sind ebenfalls online.
JURY
Olga Cobuscean, Preisträgerin 2023, Leibniz Universität Hannover, Hannover/Berlin
Elena Fontana, Demattè Fontana Architekten, Lugano/Zürich
Andreas Haug, baubüro in situ, Zürich
Guillaume Henry, Fruehauf, Henry & Viladoms architectes, Lausanne
Anne Kaestle, Duplex Architekten, Zürich
Søren Linhart, Seiler Linhart Architekten, Luzern/Sarnen
Thomas Pulver, Graber Pulver Architekten, Bern/Zürich
Barbara Thüler, Aequipe, Zürich
VERTRETUNG BGA (nicht stimmberechtigt)
Philippe Jorisch, JOM Architekten, Zürich
David Leuthold, pool Architekten, Zürich (Moderation)
Léa Prati, Atelier Prati Zwartbol, Zürich
Jakob Schneider, Salathé Architekten, Basel
Gerald Schwyter, Co-Präsident Berufsgruppe Architektur des SIA, EM2N, Zürich (Moderation)
SHORTLIST
«Re-Arrangements»
Pauline Sauter, ETH Zürich, Professur Maria Conen, Max Maurer
«Radikal lokal. Campus Irchel – universitäres Wohnen am Strickhof»
Steven Malischke, ETH Zürich, Professur Elli Mosayebi, Arno Schlüter
«Ode to joy»
Alexander Throm, Max Lewark, Josiane Schmidt,
ETH Zürich, Professur An Fonteyne, Arno Brandlhuber
«DIS/ASSEMBLE: a monument to progressive deconstruction»
Meryl Barthe, Noémie Perregaux-Dielf, EPFL,
Professur Sarah Nichols / Amy Perkins
«rbl+1»
Timo Bauer, ETH Zürich, Professur Alexandre Theriot, Silke Langenberg
«Habitus – un garage haussmannien comme milieu liquide»
Léo Laurence, HTA Freiburg, Professur Götz Menzel, Dafni Retzepi
«Habiter la Grande Profondeur – reconversion de l’Entrepôt pour Tabac d’Orient, Boncourt (JU)»
Enzo Migliano, EPFL, Professur Marco Bakker / Alexandre Blanc
«L’architecte-artisan : tactiques architecturales pour un présent épais de l’ardoise de Frutigen et de Dorénaz»
Gaëtan Dousse, HTA Freiburg, Professur Hani Buri, Daniel Zamarbide, Carine Pimenta